Amtzeller Mühlen

Amtzeller Mühlen:

Diese Seiten zeigen den Inhalt einer Informationsschrift die im Jahre 1988 in der 2. Auflage vom Landratsamt Ravensburg in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Amtzell herausgegeben wurde.

zu Amtzeller Mühlen:
zu Vorwort:
zu Kulturgeschichte der Wassermühlen:
zu Reibeisenmühle:
zu Die Voglersche Hammerschiede:
zu Das Sägewerk bei der Hagmühle:
zu Öffnungszeiten:
zu Literatur in Auswahl:

 

Amtzeller Mühlen:

Muehlendeckblatt

 

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Vorwort:

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst." Dieses alte Sprichwort hat heute in seinem ursprünglichen Sinn kaum noch Bedeutung; denn die Zeit, als zu jedem Bach eine Mühle gehörte, ist vorbei. Wo noch vor wenigen Generationen stattliche Mühlen standen und betrieben wurden, erinnern heute oft nur noch Orts- und Hausnamen an die rauschende und klappernde Vergangenheit. Die verschiedensten Gründe haben dazu geführt, daß das wassergetriebene Handwerk ausstirbt. Mit ihm stirbt ein romantisches Bauwerk, das über Jahrhunderte Zeichen für Fortschritt und Wohlstand war und dem wir eine ganze Reihe unserer schönsten Volkslieder verdanken.

Das Rad der Zeit läßt sich auch beim Mühlrad nicht zurückdrehen. Wir dürfen aber nicht tatenlos zusehen, bis das letzte Wasserrad stillsteht. Der Landkreis Ravensburg fördert deshalb schwerpunktmäßig die Erhaltung noch funktionierender Mühlen. Diese kleine Broschüre stellt drei wassergetriebene Anlagen in der Gemeinde Amtzell vor und gibt einen kurzen Überblick über ihre Geschichte, Bedeutung und Arbeitsweise. Sie will - ohne falsche Romantik - Interesse und Bereitschaft für die Erhaltung alter Mühlen wecken und verstärken. Schließlich soll diese Schrift auch mit dazu beitragen, daß Begriffe wie „oberschlächtiges Wasserrad", „Kammrad" oder „Fallenstock" nicht zu Fremdwörtern werden.

Dr. Blaser, Landrat


„Das oberschlächtige Rad muss als die ausgezeichnetste Wasserkraftmaschine angesehen werden, die je ersonnen ist und die sich in vielen Fällen gerade für den Betrieb von kleineren Mahlmühlen am besten eignet" (Wilhelm Müller, 1929).
Wissen Sie, was ein oberschlächtiges Wasserrad ist? Viele solcher Wasserräder, auch mittelschlächtige oder unterschlächtige, liefen in unserer Gegend und waren über Jahrhunderte Antriebskraft für zahlreiche handwerkliche Einrichtungen. Seit einigen Jahrzehnten stehen sie still, weil moderne Energiequellen die Kraft der Natur vielfach entbehrlich machten. Alte wasserradgetriebene Mahl-, Säge-, Hammerwerke wurden stillgelegt, vergammelten und wurden abgebrochen. Erst seit kurzem unternimmt man in lobenswerter Weise den Versuch, dieses Kulturgut zu retten und zu erhalten. Die Gemeinde Amtzell beherbergt in ihrer Markung mit der Mahlmühle in Reibeisen, der Hammerschmiede in Amtzell, dem Sägewerk und der Außenfassade der Hagmühle solche Zeugen der Vergangenheit. Der Initiative von Landrat Dr. Blaser und dem großen finanziellen und ideellen Engagement des Landkreises Ravensburg ist es zuzuschreiben, daß diese Einrichtungen gerade noch rechtzeitig renoviert werden konnten. Die Gemeinde Amtzell, die jeweiligen Gebäudebesitzer und die Besucher der Mühlen sind dem Landkreis Ravensburg und den verantwortlichen Personen dafür dankbar.
Und nun viel Spaß bei der Besichtigung.

Paul Locherer, Bürgermeister

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Zur Kulturgeschichte der Wassermühlen:

Wassermühlen gehören zu den ältesten Werken der Technik, die eine Naturkraft - in diesem Fall das fließende Wasser - zur Verrichtung mechanischer Arbeiten ausnutzen. Sie stehen am Beginn des Maschinenzeitalters und verdienen deshalb Beachtung. Die Erfindung der Wassermühlen geht in griechische und römische Zeit zurück. Als erster erwähnte sie der griechische Geograph Strabo (88 v. Chr.). Wenig später gab der römische Baumeister Vitruv eine ausführliche Beschreibung. Der von ihm dargestellte Antrieb mit vertikalem Wasserrad, Wellbaum und Zahnrädern wurde bis ins 19. Jahrhundert beibehalten.

Mit den Römern gelangte die Wassermühle in die Gebiete nördlich der Alpen. Genannt wird sie beispielsweise in den Moselliedern des Ausonius (4. Jh. n. Chr.). Die Wirren der Völkerwanderung führten zu keinem Überlieferungsbruch. Offenbar wurden die römischen Wassermühlen von den Germanen nicht zerstört, sondern in eigener Regie weiterbetrieben. Urkundliche Belege gibt es seit dem 7. Jahrhundert (am frühesten Verdun 634). In Südwestdeutschland gehört der Begriff Mühle, der sich vom lateinischen „molina" ableitet, wenig später zum Bestandteil von Ortsnamen (z.B.) „Mühlhausen" bei Engen 787). Das hohe Alter der Wassermühlen spiegeln zudem die Rechtsaltertümer. Das Mühlenrecht zählte ursprünglich zu den Regalien, zu den Königsrechten also. Der Mühlenbezirk war ein befriedeter Ort, d.h. die dort begangenen Rechtsbrüche wurden strenger als sonst bestraft. Im übrigen knüpften sich auch an den Beruf des Müllers eine Reihe von Besonderheiten. Der Müller unterschied sich von anderen Handwerkern, weil er mit seinen Händen kein Werkstück formte, sondern eine Maschine bediente. Zudem stand er innerhalb der Dorfgemeinschaft oft recht isoliert. Seine Tätigkeit galt als unehrlich. Die Mühle lag meistens am Rande oder weiter außerhalb der Ansiedlungen und wurde in Sage und Volkslied zum Schauplatz dämonischer Vorgänge, später in der romantischen Literatur zum Ort verschwiegener Liebesabenteuer.

Im germanischen Siedlungsgebiet nutzte man die Wasserkraft zunächst für Getreidemahlmühlen, ab dem 13. Jahrhundert auch für Sägewerke. Es vollzog sich eine langsame technische Entwicklung. So kam im 14. Jahrhundert das oberschlächtige Wasserrad auf, dessen Verwendung im Gegensatz zum unterschlächtigen auch an Wasserläufen mit geringer Wasserführung lohnend ist. Nach und nach entwickelte man immer mehr Nutzungsmöglichkeiten. So entstanden ÖI-, Pulver-, Papier- und Gipsmühlen und wassergetriebene Hammerschmieden, Hanfreiben, Schleifsteine, Dreschmaschinen usw. Eine der ältesten deutschen Papiermühlen wurde übrigens 1392 in Ravensburg errichtet.

Ein zahlenmäßiger Rückgang der Wassermühlen läßt sich seit dem 19. Jahrhundert beobachten. Gründe dafür waren die Erschließung neuer Energiequellen (Dampfmaschine, Turbine, Motor), die Entwicklung neuer Mahlverfahren (Walzenstühle) und das Aufkommen der Handelsmüllereien. Im 20. Jahrhundert vollzog sich ein Mühlensterben großen Ausmaßes.

Wassermühlen, die über ein Jahrtausend das Bild der Landschaft, das Wirtschaftsleben und nicht zuletzt die volkstümliche Kultur mitbestimmt hatten, verschwanden oder verkümmerten zum romantischen Requisit (als Ausflugsgaststätte, Antikshop u.a.): Nur wenige Wassermühlen sind bis heute einigermaßen intakt geblieben, noch weniger werden in ihrer ursprünglichen Funktion genutzt. Glücklicherweise ist in den letzten Jahren in einer breiteren Öffentlichkeit ein Bewußtsein dafür entstanden, daß Wassermühlen als frühe Zeugen unserer Technikgeschichte besonders erhaltenswert sind. Mancherorts hat man inzwischen Mühlengebäude und Mahlwerke an Ort und Stelle restauriert oder in ein Freilichtmuseum überführt.

Eine umfassende historische Erforschung der Mühlen in Oberschwaben steht noch aus. Man darf jedoch voraussetzen, daß es in dieser Wasser® und holzreichen Landschaft überdurchschnittlich viele wassergetriebene Mühlen und Maschinen gegeben hat.

Der Kreis Ravensburg ist bemüht, in einem besonderen Mühlenprogramm die letzten noch vorhandenen Zeugen einer großen handwerklichen Tradition durch ideelle und finanzielle Fördermaßnahmen zu erhalten. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Gemeinde Amtzell, in der dank glücklicher Umstände mehrere alte Mühlen anlagen auf uns überkommen sind.

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Mühlen in Amtzell:

Amtzell LageplanDie Gemeinde Amtzell, zwischen den Städten Ravensburg und Wangen an der B 32 gelegen, ist das westliche Eingangstor zum Allgäu. Bis hierher drang der Rhein-Gletscher in der letzten Eiszeit vor und hinterließ eine abwechslungsreich geformte Landschaft. besonders auffallend sind die Drumlins, kegelförmig aufgeschüttete Sand- und Schottenkuppen. Insgesamt erhielt die Landschaft durch den Gletscher ein Gefälle zum Bodensee hin. Die kleinen Flüsse und Bäche fließen deshalb von Norden Amtzell Ortsbildnach Süden und münden in die Argen. Die Wasserläufe, ob Rohnebach, Eggenbach oder Karbach   boten günstige Voraussetzungen für den Betrieb von Mühlen. So gab es in der weitläufigen Amtzeller Markung gegen Ende des 19. Jh. mindestens sieben Getreidemühlen, vier Sägemühlen, drei Papiermühlen und zwei wassergetriebene Hammerschmieden. Allein den Rohnebach entlang reihten sich vier Mahlmühlen, von denen drei zur Gemeinde Waldburg gehörtem Die meisten dieser Mühlen sind inzwischen verschwunden, nicht mehr in Betrieb oder baulich völlig umgestaltet. Drei Anlagen haben sich jedoch ohne große Veränderung bis auf den heutigen Tag erhalten: die Mahlmühle Reibeisen, die Voglersche Hammerschmiede und das Sägewerk bei der Hagmühle. Die beiden letzteren sind gelegentlich noch in Betrieb. Zu bestimmten Zeiten stehen die genannten Mühlen Besuchern offen.

 

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Öffnungszeiten:

Die Besichtigung der Mühlen ist nach Voranmeldung im Rathaus Amtzell (Tel. 07520/6358) möglich.

Amtzell Muehlenstandorte

 

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Literatur in Auswahl:
Bachmann, Matthias:  
Der praktische Müller. Ein Buch zum Selbstunterricht im Mühlfache, München 1857

Bausinger, Hermann:  
Müller und Mühle im Denken des Volkes, in: Schwäbische Heimat; 1961, Heft 2, S. 73-76

Fekete, Julius:  
Die Mahl- und Sägmühle in Fichtenberg. Ein technikgeschichtliches Kulturdenkmal der Zeit um die Jahrhundertwende, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 12, Heft 4, 1983, S. 184-192

Jänichen, Hans:  
Zur Geschichte der Sägemühlen im Mittelalter, in: Alemannisches Jahrbuch, 1961, S. 317-329

Jüttemann, Herbert: 
Alte Bauernsägen im Schwarzwald und in den Alpenländern, Karlsruhe 1984

Krins, Hubert und Schokmann, Klaus:  
Mühlen - Untergang eines Bautyps, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 9, Heft 3, 1980, S. 86-92

Melier, Emil:  
Aus der Geschichte des Getreidemühlenbaus, in: Beiträge zur Geschichte der Technik und Industrie 20, 193

0, Mezger, Siegfried:
Die Jagstmühle in Dörnbach. Ein technisches Kulturdenkmal, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 11, 19

Neddermann, Rudolf; Müller, Ulrich und Titz, Evelin:  
Zur Bauaufnahme der Regelsweiler Mühle, in: Hohenloher Freilandmuseum - Mitteilungen 2, 1981, S. 51-62.

Schilli, Hermann:  
Die Schwarzwälder Mühle (erläutert an der Mühle des Vogtsbauernhofes in Gutach), in: Ekkhard - Jahrbuch 1966, S.2-28

Schmidt, Frieder:   Zur Geschichte der Gröninger Hammerschmiede in: Schwäbische Heimat, 1983, Heft 3', S. 211-222

Schwahn, G.G.:  
Lehrbuch der praktischen Mühlenbaukunde, Berlin 1847

Weber, Friedrich Wilhelm:  
Die Geschichte der Mühlen und des Müllerhandwerks der Pfalz, Otterbach bei Kaiserslautern, 1978

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