Reibeisenmühle
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Geschichte:
Die Mühle in Reibeisen, rund drei Kilometer nordwestlich von Amtzell im Tal des Rohnebaches gelegen, wird Gesamtansichterstmals am 2. April 1282 in einer Urkunde genannt. An diesem Tag verkauften die Brüder Berthold und Johann von Moosheim mit Zustimmung ihres Lehensherrn, des Truchsessen von Waldburg, die Blasermühle beim Kammerhof an das Kloster Weingarten. Die Blasermühle (der Name des Müllers war Blaser) erweist sich als zur Burg Moosheim (Moosing, Gemeinde Amtzell) gehörende Mühle, die mit dem Verkauf eigene Wege geht. Das Anwesen verbleibt im Besitz des Klosters Weingarten, eine Unterbrechung von 1301 bis 1362 ausgenommen. Der Name Blasermühle kommt ab 1301 nicht mehr vor. Der Ortsname lautet vielmehr jetzt Ruwis, Rüwings, Rüwitz. 1653 heißt der Ort dann Ruebitz/Reibeisen. Es ist also sicher, daß es sich immer um die gleiche Mühle handelt. Grundherrschaftlich unterstand die Mühle dem Amt Karsee des Klosters Weingarten. Die Landeshoheit oblag der Landvogtei Schwaben. In dieser Beziehung war Rüwitz/Reibeisen dem Amt Pfärrich zugeordnet. Weshalb der Ort umbenannt wurde, läßt sich nicht mehr feststellen. Aber gerade in diesem Teil des Kreises Ravensburg sind solche Umbenennungen durchaus nicht selten. Die Mühle wurde vom Kloster Reibeisenmühle WasserradWeingarten als Fallehen verliehen. Seit dem 16. Jahrhundert sind auch die Lehensinhaber bekannt. Ab 1653 haben sechs Generationen der Familie Fricker das Lehen innegehabt. Beim Tod des Belehnten wurde der sogenannte „Ehrschatz" (Besitzveränderungsabgabe) fällig. Ein Drittel des Vermögens, darunter als„ Fall" das beste Stück Zugvieh und als „Schlauf" das beste Kleid, mußten dem Kloster abgeliefert werden. Dazu kam eine jährliche Abgabe an Geld, Getreide, Eiern und Hühnem.
Im Jahre 1765 gehörten zur Mühle 25 Jauchert (etwa 12 ha) Äcker, davon waren je 7 Jauchert mit „Vesen" (Dinkel) bzw. Hafer angebaut, 7 Jauchert lagen brach und 4 Jauchert waren „Egarten", d.h. Felder, die meist als Weide dienten und nur ab und zu angebaut werden konnten. Die Güte der Äcker war mittel (6 J.), schlecht (8 J.) und ganz schlecht (11 J.). Von 14 Jauchert einmähdigen Wiesen wurden 100 Zentner Heu geerntet.
Bei der ersten ausführlichen Beschreibung (1531) gehörten zum Anwesen Haus, Hof, Stadel, Speicher, Ofenküche, Mühle, Sägemühle, Wagenschopf und ein Baumgarten. Die Sägemühle wird nur hier erwähnt; bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts gehörte dann keine mehr zum Gut. Die Mühle muß im 30jährigen Krieg gelitten haben. Bei der ersten Verleihung danach (1653) mußten als Ehrschatz nur 60 Gulden bezahlt werden „in Ansehung der vergangen üblen Jahren und daß an der Mühle noch sehr viel zu erpauen ...". Das Richtfest für das heute noch stehende Mühlengebäude wurde am 21. Juli 1711 gefeiert. Das Kloster erlaubte dem Bauherm zum Fest einen Aufrichtwein von zwei Eimern (Reibeisenmühle Kammradca. 60 Liter) und eine Aufrichtfrucht von vier Streichen (ca. 50 kg). Nach den Aufzeichnungen des 18. und
19. Jahrhunderts hatte die Mühle vier Gänge, nämlich eine Weiß-, eine Haus- oder Roggen-, eine Brech- und eine Gerbmühle. In einem eigenen Häuschen dicht bei der Mühle befand sich noch eine Bleyelmühle zur Behandlung von Hanf. Letztere hat sich Anfang des 19. Jahrhunderts zu einer Sägemühle verändert. Diese durfte dann 1840, als Joseph Stad!er Besitzer war, rund 50O Fuß (ca. 17O Meter) bachabwärts versetzt werden. Vor einigen Jahren ist sie abgebrannt. Für jeden M Mahlgangwar ein Wasserrad vorhanden. Die nächste ausführliche Müh!enbeschreibung von 1885 erwähnt dann nur noch einoberschlächtiges Zellenrad.
Über die wirtschaftliche Situation im Lauf der Geschichte ist wenig zu erfahren. Allerdings muss es zu denken geben, dass die mach Weingarten zu liefernden Abgaben eher zu einem Bauerngut passen als zu einer Mahlmühle. Im  Jahre 1765 gibt der Müller zu Protokoll, die Gegend sei ,so mit Mühlen übersetzt, dass er jährlich kaum mit einem Mahlgang zu mahlen habe". Trotzdem lebten die Müllersleute augenscheinlich nicht schlecht, wenigstens nicht im 18. Jahrhundert, aus dem einige Nachrichten vorhanden' sind. Das Leibgeding, das der -übergebenden Müllerin 1774 gezahlt werden musste, läßt durchaus aufgehobene Ansprüche schließen, wozu auch 3O Maß Kirschwasser jährlich beigetragen haben mögen. Beim Besitzwechsel 1810 ist zwar das Vermögen erheblich kleiner, der junge Müller ist aber ein wohlausgestatteter Mann. Er macht dazu noch eine gute Partie. Seine Braut bringt 9OO Gulden in die Ehe mit. Der durchaus vermögende Postmeister Frast aus Wangen kann seiner Tochter, die im gleichen Jahr 1811 geheiratet hat, nur 60O Gulden mitgeben. Auch hinsichtlich der verzeichneten Schmuckstücke, der Kleidung und der Möbel (fast alle aus Hartholz) kann sich das junge MüllereReibeisenmühle Mahlgaengehepaar durchaus neben den vermögenderen Bürgern aus Wangen sehen lassen. Johann Michael Fricker löste dann auch 1812 mit der Zahlung von 85O Gulden die Eigenschaft eines Schupflehens ab und besaß danach die Mühle als sein Eigentum. Im Jahre 1823 verkaufte Johann Michael Fricker die Mühle. Damit war dieÄra Fricker zu Ende. Für die Mühle begann nun eine recht bewegte Zeit. Bis zum Jahr 1866 wurde sie insgesamt zehnmal veräußert. Eine Zwangsversteigerung (1865) ist auch dabei. Da der Lehensverband jetzt nicht mehr vor Zersplitterung schützte, wurden auch einzelne Grundstücke veräußert, was bis 1812 nicht möglich war. Erst mit dem Verkauf 1866 an Franz Kübler traten wieder ruhigere Verhältnisse ein. Dessen Sohn Johann Baptist Kübler war bis zu seinem Tod 1937 als Müller tätig. Bis zum Beginn des 2. Weltkriegs konnte der Betrieb weitergeführt werden. Nach dem Krieg wurde nur noch die Landwirtschaft ausgeübt. Zur Stillegung der Mühle trug wohl entscheidend die Konkurrenzsituation bei. Nicht weit entfernt lagen die Füg!esmühle, die Baurenmühle, die Schleifenmühle, die Meierhofmühle und die Winkelmühle. Der Konkurrenzkampf war um so schärfer, als in dieser Region der Getreideanbau immer mehr zurückging und heute nicht einmal mehr der Eigenbedarf angebaut wird.

Der heutige Bau vereint Wohn- und Reibeisenmühle TechnikMühlentrakt unter einem gemeinsamen Satteldach. Im Obergeschoss des Wohnteils fallen die Fachwerk-Zierformen (gebogene Hölzer) auf. Das Untergeschoss hat verputzte Bohlenwände. In den Jahren 1952/53 erfolgte eine Renovierung der Außenfassade. Die Lehmausfachungen wurden durch Mauerwerk ersetzt. Das Erdgeschoss erhielt neue Fenster, die nicht mehr die typische sechsteilige Gliederung aufweisen. 1977 wurde das Dach auf der Vorderseite neu gedeckt. Der Mühlentrakt hat einen massiv aus Bruchsteinen aufgemauerten Giebel mit Verbretterung im Giebeldreieck. Auf der Nordseite findet sich eine verbretterte Bohlenwand, im Obergeschoss der Südseite Fachwerk.
Auch nach Einstellung des Mühlenbetriebs im Jahre 1939 blieben die technischen Einrichtungen weitgehend erhalten. 1981/82 wurden sie, ebenso wie die Wehre und das Wasserrad, auf Initiative und mit finanziellem Engagement des Landkreises renoviert. Die technische Ausstattung der Mühle konzentriert sich im wesentlicheReibeisenmühle Gerinnen auf das Erdgeschoss. Auf einer Empore sind vier Mahlstühle aufgereiht: Weißgang, Roggengang, Schrot- oder Brechgang und Gerbgang. Der Schrotgang trägt die Datierung 1837. Die Mahlstühle bestehen aus dem Trichter mit dem Rüttelschuh und den von einer hölzernen Zarge umgebenen Mahlsteinen. Darüberhinaus gibt es zwei Walzenstühle, die 1912 bzw. 1920 montiert worden sind. Im Mahlraum befinden sich außerdem eine Griesputzmaschine, eine Gerbputzmaschine mit Schwarzstaubzylinder, ein Kleiekasten, ein umgitterter Aufzug sowie verschiedene kleinere Geräte. Unter der Bühne vollzieht sich die Kraftübertragung vom Wasserrad über Weltbaum, Kammrad, fliegendem Rad und Königsstock auf die Mahlgänge. Die Transmissionen zum Betrieb von Elevatoren, Aufzug, Dreschmaschinen und Reinigungsmaschinen sind im Bereich zwischen Bühne und Decke installiert. Im Jahre 1914 erfolgte der Einbau eines Dynamos zur Erzeugung von elektrischem Strom mit Hilfe der Wasserkraft. Die alte Schalttafel im Hausflur ist noch vorhanden.

Direkt über dem Raum mit den Mahlgängen liegt die Müllerkammer. Sie hat das Interieur des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit Doppelbett, bemalten Schränken und Wandbildern bewahrt. Für Besucher ist sie allerdings nicht zugänglich, genausowenig wie die Dachböden mit den Reinigungs- und Sortiermaschinen, den Aufschüttgossen und allerlei abgestellten Geräten. Vor der Giebelwand dreht sich unter einem Schutzdach ein oberschlächtiges Wasserrad, das von einem Wasserauffangbehälter aus über eine Holzrinne („Käner") gReibeisenmühle Geraeteespeist wird. Der vom Rohnebach abzweigende Mühlenkanal mit seinen zwei Wehren ist im letzten Teil unterdolt.
Früher baute man in dieser Landschaft ganz überwiegend Dinkel an. Deshalb ist die Mühle in erster Linie für das Vermahlen dieser weizenähnlichen Getreideart eingerichtet. Der angelieferte Dinkel wurde zunächst auf der Brückenwaage (Dezimalwaage) gewogen, dann mittels Aufzug auf den unteren Dachboden befördert und durch die Aufschüttgosse in den Gerbgang eingegeben. Dieser schälte mit seinen ungeschärften Mahlsteinen das Korn aus den Hüllspelzen. ln der Gerbputzmaschine wurden anschließend durch Saugluft und Siebe die Verunreinigungen endgültig beseitigt. Die Ausbeute an reinem Korn betrug durchschnittlich 70%. Als nächstes gelangte der Dinkel in den Schrotgang, den er bis zu fünfmal durchlief. Nach jedem Durchgang fand eine Reinigung und Sortierung mit Hilfe von Sechskantzylindern statt. Der feinere Schrot kam in die Griesputzmaschine, wo Flugkleie, Gries und Dunst abfielen. Gries und Dunst gab man danach in den Weißgang, den sie je nach Ausmahlgrad zwei- bis viermal durchliefen. Hier entstand vor allem Kuchenmehl, während der Schrotgang mehr gröberes Brotmehl lieferte. 1920 wurde der Weißgang durch einen .Porzellanwalzenstuhl ersetzt, der wesentlich höhere Ausbeute an Feinmehl erbrachte (Weißgang ca. 30%, Walzenstuhl ca. 60%). Die einzelnen Mehlsorten füllte man in Säcke ab. Der Müller durfte als Entgelt einen bestimmten Anteil, „Milter" genannt, für sich behalten. Eine solche Naturalentlohnung war noch bis zuletzt (1939) üblich. Sinnreich war die EinrReibeisenmühle Muellerkammerichtung, die Mahlgänge mit einem Klingelzug zu verbinden. Sobald der Beutelkasten leer war, rief ein Glockenzeichen den Müller herbei. In der Müllerkammer hörte er diese Signale auch nachts.

Da die Mahlsteine sich abnutzten, mußten sie durchschnittlich einmal pro Monat geschärft werden; sonst bestand die Gefahr, daß das Korn beim Mahlen zu warm wurde und „verteigte". Das Schärfen wurde gewöhnlich vom Müller selbst durchgeführt. Es gab aber auch Spezialisten für diese viel Geschick erfordernde Tätigkeit. Der obere Mahlstein („Läuferstein") wurde mit Hilfe des „Galgens" angehoben. Um den Schärfegrad zu ermitteln, verrieb man mit einem Richtscheid Holzkohle auf dem Stein. Luftfurchen („Schranzen") wurden mit der „Pieke", grobe Rillen mit dem „Kronhammer'9 und feine Rillen mit der ,;Pille" behauen. Diese Werkzeuge sind zusammen mit anderen
Geräten, die man früher beim täglichen Arbeitsablauf in der Mühle benötigte (Sackkarre, Mehl- und Kornschaufeln, Mehlkratzer, Sackaufhänger u.a.) im Mahlraum ausgestellt.

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Der Mahlvorgang:

Reibeisenmuehle Mahlvorgang

 

(Quelle: Mühlen Amtzell, Herausgeber Landratsamt Ravensburg, 2. Auflage 1988)

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Lageplan:
Sie erreichen die Reibeisenmühle am Besten aus Richtung Ravensburg auf der B32. Kurz nach der ehemaligen Gaststätte “Reichsdose” (ca. 100 Meter) links abbiegen Richtung Reibeisen. Nach ca. 600 Meter sind Sie in Reibeisen.
Reibeisenmühle Lageplan

 

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Lageskizze der Reibeisenmühle:

Die Handskizze zeigt die Reibeisenmühle mit ihrer Umgebung und der Wasserversorgung und den für den Betrieb notwendigen technischen Einrichtungen.

Gesamtansicht Skizze

 

(Quelle: Mühlen Amtzell, Herausgeber Landratsamt Ravensburg, 2. Auflage 1988)

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Besichtigung:
Die Besichtigung der Reibeisenmühle ist nach Voranmeldung im Rathaus Amtzell (Tel. 07520/6358) möglich.

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